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Lebenslügen

Lebenslügen, Familiengeheimnisse, Instrumentalisierung, Missbrauch
Lebenslügen (Foto: CC0)

Ja, es gibt sie und ich glaube, jeder von uns kennt sie, weiß um Beispiele. Lügen, die ein ganzes Leben aufrechterhalten werden, haben eine ganz besondere Vorgeschichte. Und ich denke, sie sind bis zu einem gewissen Punkt absolut legitim. Erst dann, wenn sie zur Last werden, für einen selbst oder für einen anderen Betroffenen, wird die Zeit reif sein, sich ihrer zu entledigen. Lebenslügen haben eine wichtige Funktion. Bei aller Unannehmlichkeit, sind sie dennoch in der Lage, im Sinne eines Vermeidungsverhaltens, die Angst vor einer unangenehmen Wahrheit zu unterdrücken. Da dies immer nur kurzfristig wirkt, ist eine ständige Wiederholung dieses Verhaltens notwendig. Sobald ein Trigger (auslösender Reiz) kommt z.B. in Form eines Wortes oder einer bestimmten Situation, werden sie zum Schutz in stereotyper (schematischer) Manier wiederholt.

 

Gewohnheit

 

Im Laufe der Zeit, kann sich eine derartige Routine darin bilden, dass es für einen selbst schwer wird, zu erkennen, was einer allgemeinen und was der persönlichen Wahrheit gleichkommt. Spreu und Weizen werden in der individuellen Wahrnehmung nicht mehr unterscheidbar. Zu tief sitzt die Ursprungsangst. Zulange wurde sie als Ausflucht benutzt. Zu stark hat sie sich im Alltag als Gewohnheit etabliert. Man sitzt, meist ohne es zu wissen, in ihrer Falle. Die Lüge hat einen fest im Griff. Sie verlangt eine ständige Verteidigung. Macht dadurch Arbeit. Vielleicht auch inneren Stress. Solange die Kraft reicht, wird sich wenig daran ändern. Erst in der Erschöpfung oder wenn alle anderen Kompensationsmittel (wie z.B. Alkohol, Drogen, Mehrarbeit, Süchte, Aggression etc.) nicht mehr greifen, kann es geschehen, dass man ihr überdrüssig wird.

 

Verständnis

 

Grundsätzlich braucht die Bearbeitung als auch das Aushalten viel Verständnis. Denn niemand greift zu ihr als Mittel, ohne einen triftigen Grund dafür zu haben. Die Ursachen sind vielfältig und liegen meist in der Kindheit begründet. Keinen Menschen trifft eine Schuld, wenn er darauf zurückgreift. Als Kind hat man keine Chance, den großen Familiengeheimnissen zu entkommen. Sie zu verbergen, ja gerne zu unterdrücken, ist in vielen Familien sogar etwas, was zusammenhält. Wer da versucht aus der Reihe zu tanzen, hat bereits verloren, bevor damit begonnen wird. Archaisch, ursprünglich und dem Überleben der Sippe (Gruppe, Familie) dienlich, scheint sie auf den ersten Blick unentbehrlich. Wer nicht mitspielt, wird ausgestoßen. Gehört nicht mehr dazu. Hat nicht mehr den „Stallgeruch“, hat die „Freund-Feind-Kennung“ verloren. Gefahr für die Familie. Wie sollte da ohne Risiko fürs Überleben eine andere Wahrheit möglich sein?

 

Sprache

 

Familiengeheimnisse sprechen von Instrumentalisierungen, Verzweckungen von Menschen. Berichten über seltsame Geschehnisse. Beinhalten oftmals Schuld- und Schamgefühle. Werden überschattet von Ängsten. Sprechen manchmal eine Sprache der Gewalt. Nötigen zu Rechtfertigungen. Diese Geheimnisse vor anderen zu verbergen, dient oftmals dem nackten Überleben. Nicht jeder schaffte es, sie in seinem späteren Leben abzustreifen. Oftmals bleibt die persönliche Landkarte der Welt, des Lebens, die allein gültige. Allgemein anerkannte oder auch die persönlichen Karten anderer Menschen bleiben suspekt. Werden zum Teil auch heftig bekämpft. Zu tief sitzt die Angst. Kein Hilfsmittel scheint greifbar, sie zu überwinden. Infolgedessen sieht es fast so aus, dass sie sich wie von selbst von Generation zu Generation übertragen. Die persönliche Landkarte wird nun zur Landkarte der Welt. Korrektur ausgeschlossen, undenkbar.

 

Menschlich

 

Jeder Mensch ist auf gewisse Weise davon betroffen. Es ist menschlich. Das sollten wir alle nicht vergessen. Aber es besteht die große Chance, wenn einem die Haut der Kindheit zu eng wird, sie nach und nach abzustreifen. Dazu braucht es meist einer guten, verständnisvollen Begleitung. Hilfreich sind Menschen, die in der Lage sind, weitherzig und behutsam widerzuspiegeln, was man selbst bei sich nicht erkennen kann. Es geht meist nicht alleine. Denn zuerst reklamiert man in der Regel den Splitter im Auge des Gegenübers, bevor man und wenn überhaupt, den Balken vor dem eigenen Auge erkennen wird.

 

Ihnen allen, in und außerhalb Ihrer/unserer Lebenslügen, alles Gute und einen verständnisvollen Blick auf sich selbst und alle anderen Menschen Ihres näheren Umfelds. Das wünscht Ihnen von Herzen, die Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie.