Am liebsten nur das Schöne mitnehmen und alles andere hinter sich lassen. So empfinden und wünschen es sich viele Menschen, wenn sie zum Jahreswechsel in der Silvesternacht oder zu Neujahr für sich eine persönliche Bilanz ziehen. Kann man gut verstehen. Wer möchte denn schon gerne wieder und wieder an das Unangenehme oder Leidvolle erinnert werden. Wenn es vorüber ist, so soll es auch vorüber sein. Soll es. Meist hat man durch die Krise oder durch das Überwinden ohnehin so viel dazugelernt, dass nun auch wirklich alles in den Tiefen menschlichen Denkens und Fühlens verschwinden darf. Und Reste, kleinere leidhafte Erinnerungsreste, werden mit der Zeit von Schlaf und Träumen soweit hinweggefegt, dass bald nicht mehr sehr viel an Schmerzhaftem übrigbleiben wird. Welch ein Glück!
Glück und Hoffnung
So ließe sich gut in ein neues Jahr starten. Mit Glück. Denn die schönsten Erinnerungen mögen einen begleiten und die anderen sich wandeln oder gar vergessen. So könnte es sein. Glücksbringer, kleine Geschenke, begleiten symbolisch diesen Wunsch. Schornsteinfeger, Glücksschweine, süßes aus Marzipan oder Schokolade, vierblättrige Kleeblätter und manches mehr. Sie alle sorgen dafür, dass das Wunschhafte nun auch wirklich nicht verloren geht. Darf es auch nicht. Denn Wünsche und Träume sind wichtig. Auch sie erzeugen eine Wirklichkeit. Sie können wahr werden, so wahr, dass sie sich in der Welt erleben lassen. Das wäre doch ein gutes neues Jahr. Auf das Glück hoffen, immer wieder hoffen. Goethe beschreibt es so „Wir hoffen immer, und in allen Dingen ist besser hoffen als verzweifeln.“ Recht hat er.
Verzweiflung und Bitte
Und dennoch. Trotz allen Hoffens, ist nicht Jedem dieses Glück hold. Mancher ist eher der Verzweiflung nah. Für den, dem der Jahreswechsel kein vergangenes Leid oder einen vorübergegangenen Schmerz beschert, ist ein Abschließen, ein sich Wandeln und Vergessen gar nicht möglich. Leider. Schmerz und Leid halten an. Kein Jahreswechsel schafft es aus seiner Natur heraus, dies zu vollbringen. Hinter sich lassen, geht leider nicht. Der Wandel steht erst an. Die Dichterin Hilde Domin findet dafür ein wunderschönes, großes, Mut machendes „Bitte“ in ihrem Gedichtband „Der Baum blüht trotzdem“:
„Wir werden eingetaucht
und mit den Wassern der Sintflut gewaschen.
Wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe,
dass die Frucht so bunt wie die Blume sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden,
und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.“
(Zitat: Hilde Domin „Bitte“, Gedichtband „Der Baum blüht trotzdem“, Fischer, Frankfurt 1999)
Wunsch und Hoffnung
Dies wünscht Ihnen zum Jahreswechsel von ganzem Herzen, das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Never
lose hope. Verliere niemals die Hoffnung. Wandel und Veränderung sind stets von neuem möglich.