In Zeiten von Corona wird es besonders deutlich: Maßnahmen hin, Vorschläge her. Schließungen hier, Öffnungen dort. Hoffnungen jetzt, Angst und Schrecken später. Licht und Dunkel. Tag und Nacht. Heiß und kalt. Stündlich anders. Es geht drunter und drüber! Manchmal laut, manchmal leise.
Alle reden
Mediziner, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten, Menschen des öffentlichen Lebens, Verschwörungstheoretiker, Lebenskünstler, Theologen, Philosophen, Psychologen, Pädagogen, Soziologen, Ökonomen, Juristen, Wirtschaftsbosse, Arbeitnehmer, Berater, Behörden, Ämter und viele andere mehr. Sie alle haben eine Stimme. Manchmal nicht nur eine. Alle reden kreuz und quer.
Viel Lärm
Es dröhnt! Bei so viel Lärm, kann es durchaus schwer werden, sich zu orientieren. Wo geht es für mich persönlich (!) lang? Links oder rechts herum? Vorwärts? Rückwärts? Geradeaus? Oder womöglich in ganz anderer Richtung? Quer zu allem? Stehenbleiben? Ausharren? Sich bewegen? Vielleicht auf andere Weise?
Bewusstheit
Es ist manchmal im Leben entscheidend, sich seiner Orientierung bewusst zu werden. Vor allem dann, wenn man sich überflutet fühlt von allem. Fremdbestimmt statt eigen. Kommen nämlich zu den Sorgen des Alltags und den Problemen des eigenen Lebens noch Umstände hinzu, die sich im großen Ganzen gar nicht beeinflussen lassen, kann es schnell zu viel werden: Game over! Rien ne va plus. Nichts geht mehr: Überfordert. Verzweifelt. Ratlos. Orientierungslos. Wo bleibt mein persönlicher Spielraum?
Orientierung
Was gibt Bewegungsfreiheit und Orientierung im Leben? Gute Frage. Nächste Frage. Wo kommt sie her? Kann man sie sich käuflich erwerben, wenn sie nicht auffindbar erscheint? Es fließen ja in diesen Zeiten gigantische Geldsummen in unterschiedliche Kanäle. Regierungsgelder. EU-Hilfen. Kredite mit und ohne Bürgschaften. No problem. Die Kassen sind gefüllt mit entsprechenden Geldern. Vielleicht ließe sich davon was abzwacken und kaufen könnte man sich Orientierung und am besten gleich im Paket auch noch Gesundheit und Wohlbefinden? Scherz beiseite. Die Wirklichkeit sieht bekanntlich anders aus.
Zeit und Raum und Person
Die Fähigkeit sich zu Zeit, Raum und zur eigenen Person zu orientieren, entsteht im Laufe der Hirnentwicklung von Kindheit über Jugend bis hin zum Erwachsensein. Zeit und Raum unterscheiden und einordnen zu lernen, geschieht vornehmlich mit der Entdeckung des Außen (Gegenstände, Umwelt, Lebewesen) im Säuglings- und Kleinkindalter. Die Orientierung zur Person hingegen ist ein lebenslanger Prozess. In frühster Kindheit waren es die Stimmen von Mutter und Vater, die hierzu wichtige Impulse lieferten. Später sind es auch die Stimmen erweiterter Bezugspersonen: Familie, Freunde und Bekannte, Lehrer, Erzieher und andere. Spätestens in der Pubertät mit dem Übergang ins Erwachsenenalter, werden viele dieser verinnerlichten Stimmen hinterfragt, damit eine eigene aufgebaut werden kann. Klein. Zart. Neu. Diese will gestärkt, versorgt, hinterfragt und korrigiert werden. Dann entsteht sie, die Stimme der eigenen Person, die Orientierung geben kann in vielerlei Situation.
Regression
Akuter oder dauerhafter Stress, Ängste oder depressive Verstimmungen und anderes mehr vermögen aber zu vollbringen, dass diese Stimme verstummt oder gar nicht mehr gehört werden kann. Ein meist unbewusster seelischer Abwehrmechanismus katapultiert nämlich die betreffende Person aus der Aktualität der Gegenwart in die Vergangenheit hinein! Ablenkung statt Konfrontation nennt sich das Rezept. Was eigentlich gutgemeint und zum seelischen Schutz eingerichtet ist, hat eine fatale Nebenwirkung. Im Zustand dieses Zurückfallens, Regression genannt, ist kein Wachstum (Progression) im Sinne von Anpassung an die aktuelle Situation mehr möglich. Man bleibt auf die fremden inneren Stimmen der Vergangenheit angewiesen und ist in dieser Phase besonders anfällig für Stimmen aus dem Außen, die den „alten“ gleichen. Ein Teufelskreis. Der Hund beißt sich sozusagen in den Schwanz und dreht sich schneller und schneller.
Progression
Allerdings gibt es Auswege. Sie lassen sich finden. In der Gegenwart des „Hier und Jetzt“ ist es möglich. Mit dem Körper und den Sinnen gelingt es, die Gedanken wieder zu ordnen und die Gefühle als Botschafter zu verstehen. Manchmal braucht es einer Unterstützung: Die Natur, der andere Mensch, ein Tier, die Kunst, ein Hobby oder eine Lieblingsbeschäftigung vermögen dies zu vollbringen. Auch manche Techniken und Interventionen der humanistischen Psychotherapie sind dazu in der Lage. Oftmals gelingt es gerade damit, hartnäckige Schlichen und diffuse Verborgenheiten aus dem Unbewussten in das Licht der Erkenntnis zu verbringen. Vielleicht wird dann wieder bewusst: Meine innere Stimme hört sich doch ganz gut an!
Wünsche
Ihnen alles Gute in diesen Corona-Zeiten. Hören Sie auf Ihre eigene Stimme. Sie gehört zu Ihnen und kennt Sie am besten. Lassen Sie sie ertönen. Schützen und behüten Sie sich. Wägen Sie Innen und Außen sorgsam ab. Bleiben oder werden Sie wieder gesund. Dies wünscht Ihnen von Herzen das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie.