Ist Leben etwa gleichbedeutend mit Corona, Impfung, Trump, Merkel, Maske, Abstand, Hygiene, Risikogebiet oder ähnlichem? Oder ist es Syrien, Krieg, Putin, Assad, Erdogan oder so ähnlich? Vielleicht eher auch Wirtschaftskrise, Dax, Erderwärmung, Verbrennungsmotor, Reisewarnung, Demo, Politikverdrossenheit, Cum-Ex, Steueroase, Kurzarbeitergeld, Brexit oder so was? Oder doch eher Arbeit, Abfeiern, Essen, Trinken, Abhängen, Chillen, Urlaub, Feiertage?
Wenn man beschreiben möchte, was Leben ist, bleibt man schnell bei bestimmten Begrifflichkeiten hängen, die zweifelsohne das Leben mit ausmachen. Aber ist das wirklich das (!) Leben?
Es scheint von der Perspektive und vom eigenen Erleben abzuhängen, wie man als Mensch „Leben“ beschreibt. Selbst die Wissenschaft ist sich in der Definition des Begriffes alles andere als einig. Es gibt selbst bei nüchterner, emotionsfreier, wissenschaftlicher Betrachtung mehr als 50 unterschiedliche Auffassungen von „Leben“ zu berücksichtigen (nach N. Lahav, 1999).
Schwierig mit dem Leben oder möglicherweise doch nicht? Einfach nur leben? Eine märchenhafte Geschichte aus Schweden gibt Auskunft. Ob die alles entscheidende Antwort auf die Frage dabei ist?
Was ist eigentlich das Leben?
An einem schönen Sommertag um die Mittagszeit war große Stille am Waldrand. Die Vögel hatten ihre Köpfe unter die Flügel gesteckt, und alles ruhte. Da streckte der Buchfink sein Köpfchen hervor und fragte. «Was ist eigentlich das Leben?»
Alle waren betroffen über diese schwierige Frage:
Die Heckenrose entfaltete gerade eine Knospe und schob behutsam ein Blatt ums andere heraus. Sie sprach: «Das Leben ist eine Entwicklung.»
Weniger tiefsinnig veranlagt war der Schmetterling. Er flog von einer Blume zur anderen, naschte da und dort und sagte: «Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.»
Drunten im Gras mühte sich eine Ameise mit einem Strohhalm, zehnmal länger als sie selbst, und sagte: «Das Leben ist nichts als Arbeit und Mühsal.»
Geschäftig kam eine Biene von einer pollenhaltigen Blume auf die Wiese zurück und meinte dazu: «Nein, das Leben ist ein Wechsel von Arbeit und Vergnügen.»
Wo so weise Reden geführt werden, streckte auch der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und brummte: «Das Leben? Es ist ein Kampf im Dunkeln.»
Nun hätte es fast einen Streit gegeben, wenn nicht ein feiner Regen eingesetzt hätte, der sagte: «Das Leben besteht aus Tränen, nichts als Tränen.»
Dann zog er weiter zum Meer. Dort brandeten die Wogen, warfen sich mit aller Gewalt gegen die Felsen und stöhnten: «Das Leben ist wie ein vergebliches Ringen nach Freiheit.»
Hoch über ihnen zog majestätisch der Adler seine Kreise. Er frohlockte: «Das Leben, das Leben ist ein Streben nach oben.»
Nicht weit vom Ufer entfernt stand eine Weide. Sie hatte der Sturm schon zur Seite gebogen. Sie sagte: «Das Leben ist ein Sich neigen unter eine höhere Macht.»
Dann kam die Nacht.
Mit lautlosen Flügeln glitt der Uhu über die Wiese dem Wald zu und krächzte: «Das Leben heißt, die Gelegenheit zu nutzen, wenn andere schlafen.»
Und schließlich wurde es still in Wald und Wiese.
Nach einer Weile kam ein junger Mann des nächtlichen Weges. Er legte sich müde ins Gras, streckte alle Viere von sich, wurde schläfrig und meinte, erschöpft vom vielen Tanzen und Trinken: «Das Leben ist das ständige Suchen nach Glück und eine lange Kette von Enttäuschungen.»
Stunden später stand die Morgenröte auf in voller Pracht und sprach: «So wie ich, die Morgenröte, Beginn eines neuen Tages bin, so ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit!»
Was ist eigentlich das Leben?
(frei nach einem schwedischen Märchen)