Eine Frage, die man sich jederzeit stellen könnte, aber es meist doch nicht tut. Das Leben läuft und läuft und man geht seiner Wege: Schule, Ausbildung oder Studium. Arbeit, Freizeit oder Rente. Familienleben, Single oder Paar sein. Wie auch immer.
Wären da nicht hier und da ein paar Stolpersteine zu spüren. Meist purzeln sie unverhofft ins Leben. Kleinere ist man gewohnt und umgeht sie relativ geschickt. Man weiß, dass es nicht immer geradeaus gehen kann. Die Höhen und Tiefen eines Lebens sind bekannt.
Größere Brocken sind schon etwas schwieriger zu umgehen. Man kommt nicht so einfach daran vorbei: Brüche, Trennungen, Verluste, Einschränkungen, Krankheit, Tod sorgen für Verwirrung, manchmal auch für Wut und Verzweiflung. Neben dem, was an Einzelschicksal im Leben einem begegnen kann, gibt es auch viel an Kollektivem, was man als Stolperstein bezeichnen könnte:
Corona, die Einschränkungen von Freiheit, das Risiko einer Erkrankung, Politik, Demokratie und Autokratie, wirtschaftliches Auf und Ab, Krieg und Frieden, Hunger und Armut, lassen grüßen.
Steine im Weg laden geradezu ein, eine Atempause hinzulegen. Einfach mal die „Pausentaste“ drücken und ein „Standbild“ machen von sich und der Situation. Vielleicht führt dieses Innehalten sogar in die Hinterfragung der eigenen Identität hinein? Auf Dauer kommt man sowieso nicht daran vorbei: Wer bin ich, jetzt, heute?
Eine Geschichte von Anthony de Mello lädt jedenfalls ein, darüber nachzudenken:
Wer bin ich?
Es war einmal eine Frau, die wie in Ohnmacht dalag. So lag sie lange Zeit. Dann wähnte sie sich plötzlich als tot, so, als wäre sie im Himmel und stände vor ihrem Richter:
“Wer bist du?” fragte die Stimme. “Ich bin die Frau des Bürgermeisters” antwortete die Frau.
“Ich habe nicht gefragt, wessen Ehefrau du bist, sondern, wer du bist.”
“Ich bin die Mutter von vier Kindern.” “Ich habe nicht gefragt, wessen Mutter du bist, sondern wer du bist.”
“Ich bin eine Lehrerin.” “Ich habe auch nicht nach deinem Beruf gefragt, sondern wer du bist.”
“Ich bin Christin.” “Ich habe nicht nach deiner Religion gefragt, sondern wer du bist.”
Und so ging es immer weiter.
Alles, was die Frau erwiderte, schien keine befriedigende Antwort auf die Frage “Wer bist du?” zu sein.
Irgendwann erwachte die Frau aus ihrer Bewusstlosigkeit und wurde wieder lebendig. Sie beschloss nun herauszufinden, wer sie wirklich war.
Und darin liegt der ganze Unterschied.
(frei nach Anthony de Mello)
Foto: CC0 - people-2591874_1920