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Nebulös, trüb, undurchsichtig

Nebulös, trüb, undurchsichtig - Blogbeitrag der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin
Foto: CCo

So kommt es einem im Leben manchmal vor. Man versteht einfach nicht, was da abgeht. Nicht beim Gegenüber und auch nicht immer bei einem selbst. „Warum macht er/sie das? Wieso reagiere ich so darauf? Das will ich eigentlich nicht. Ich möchte, ja ich möchte, ganz was anderes.“

 

In Frieden leben. Glücklich sein. Lieben und geliebt werden. Anerkennung finden. Gemeinschaft leben. Dazu gehören. Geborgenheit und Freiheit verspüren. Sicherheit und Halt finden. Das Leben genießen. Lachen. Einfach froh sein.

 

Wie schön könnte Leben sein, wenn da nicht die vielen kleinen Hindernisse wären. Nicht immer lassen sie sich klar und deutlich ausmachen. Manches kennt man, anderes scheint wie im Nebel zu liegen. Verborgen. Ohne klare Konturen. Keine Verbindung, keine Erklärung, kein wirklicher Zusammenhang.

 

Wenn man sich da orientieren möchte, oh je, viel Spaß dabei. Man kommt sich fast vor, als würde man im Nebel stochern. Und dennoch ahnt man, wenn man sich nähert, etwas Bekanntes. Hindernisse, die man wohl schon gesehen, gespürt oder gefühlt hat, aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einordnen konnte oder wollte.

 

Wie auch immer. Vielleicht wurde die (eigene) Wahrheit zu sehr als unangenehm oder als jetzt nicht passend eingeordnet. Gut möglich, aber letztlich auch egal. Irgendwie wirkt das Ganze jetzt jedenfalls anders. Vielleicht so, als würde man die ganze Chose aus vollkommen anderem Licht betrachten: Verwirrend, fragwürdig bleibt es zunächst dennoch.

 

Genauso fragwürdig, nebulös, trüb, undurchsichtig, so wirken auch manche Novembertage. Die Natur kehrt der Wachstumsseite, der Sonnenseite des Lebens, den Rücken. Blätter fallen ab. Sonnenstunden werden weniger. Manches ist kaum wiederzuerkennen. Nebel, dunkle Nächte und bei Menschen so manche trübe Gedanken: Stimmungstiefs. Einsamkeit. Alleinsein.

 

Die Natur lässt los, geht in den Ruhemodus, geht in sich hinein. Sie ruht und schafft in dieser Phase die Voraussetzung für neues Wachstum: Wachsen. Reifen. Loslassen. Ruhen. Und wieder wachsen, reifen, loslassen, ruhen. Ist es bei uns Menschen möglicherweise ähnlich? Wiederkehrende Jahreszeiten als inneres Geschehen, mit Zeiten des Wachsens, des Reifens, des Loslassens und des Ruhens? Immerhin sind wir Teil dieser Natur. Gehört auch der Nebel zum Leben?

 

Hermann Hesse beschreibt im November 1905 in seinem bekannten Gedicht „Im Nebel“ solche inneren/äußeren Vorgänge in lyrischer Schönheit:

 

Im Nebel

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

 

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als noch mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

 

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allen ihn trennt.

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsam sein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

 

(Hermann Hesse, November 1905)

 

Kommen Sie gut durch diesen dunklen, vielleicht regnerischen, nebeligen November. Nutzen Sie ihn, um der Weisheit Ihres Lebens ein Stück näher zu kommen. Lassen Sie die Nebel zu. Sie haben viel Gutes. Vielleicht verhelfen sie zu einer neuen Sichtweise auf Ihr Leben. Lernen Sie dabei sich und vielleicht auch einen anderen Menschen neu kennen. Manchmal muss zuerst etwas verschwommen sein, dann vielleicht dunkel werden und sich trennen, damit es für einen in neuem Licht erscheinen kann. Klarheit, Durchblick nach einem Nebel, könnte durchaus Neues zu Tage bringen.

 

„Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt, das unentrinnbar und leise von allen ihn trennt.“

 

Alles Liebe und Gute auf Ihrem Weg durch den November, wünscht Ihnen von Herzen, das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Wachsen Sie neuem Licht entgegen.