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Nun steht er vor der Tür

Nun steht er vor der Tür - Blogbeitrag zu Advent - Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin
Foto CC0

Die Tage werden kürzer, die Nächte länger und nun, nun steht er vor der Tür: der Advent. Seit Wochen bereits kündigt sich sein Kommen an. Zumindest in den Supermärkten: Lebkuchen, Nüsse, Trockenfrüchte, Spekulatius, Stollen und anderes mehr, fast wie im Überfluss. St. Martin ist längst vorüber, Nikolaus steht kurz bevor. Advents- und Weihnachtsmärkte bauen auf oder wegen Corona wieder ab. „Lockdown“ - Gewitter drohen überm Firmament. Was für eine Zeit.

 

Impfbefürworter und deren Gegnerschaft treten auf, als befänden sie sich in einer Art Stellungskrieg. Fronten total verhärtet. Worte wie Schüsse, frontal oder feige aus dem Hinterhalt. Politik mal weichspülend und mal knüppelhart. Sich nicht sicher, wie es weitergeht. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Wissenschaft mal ja und mal wieder nicht. Es darf nicht zu unangenehm werden, aber auch nicht zu leichtfertig sein.

 

Er droht unterzugehen, der Advent. Nichts hat diese Zeit mit Corona oder mit Konsum zu tun. Auch nichts mit Politik. Dann, wenn man es schafft, sie wieder als ein inneres Geschehen zu verstehen: Religionsübergreifend wie aber auch in absolut ablehnender Haltung all dem gegenüberüber, lässt die Adventszeit zu, anzukommen bei sich selbst. Advent (lat. adventus) heißt Ankunft. Nicht auf dem Weihnachtsmarkt. Auch nicht im Impfzentrum oder der Arztpraxis. Auch wenn dies alles wichtig sein kann.

 

Anzukommen bei sich selbst. Was soll das heißen? Wie soll das gehen? Was, wenn man es eigentlich überhaupt nicht will, weil man am liebsten weglaufen möchte? Vor sich selbst. Oder vor anderen. Nichts wie weg und sich ablenken. Mit einem Übermaß an Arbeit, Sport, Konsum, Alkohol, Drogen oder anderem. Heißt anzukommen denn immer, sich ungeschützt und volle Lotte den drängenden inneren Fragen stellen zu müssen? Kann man seinen Fragen auf Dauer überhaupt ausweichen? Gibt es einen Schutz? Was hilft?

 

Die Adventzeit kann eine Brücke bauen und ein Geländer bieten, Jahr für Jahr, um sich seinem Inneren mit Vorsicht und behutsam zu nähern. Wer will schon ungeschützt in etwas hineinrennen, was sich als unangenehm herausstellen könnte, aber dennoch nicht so sein muss?

 

Kürzere Tage und das weniger werdende Tageslicht laden ein zu Kerzenschein. Vielleicht auch zu einer wohlklingenden Musik. Oder einem besonderen Duft. Einer schönen Speise. Einem warmen Ort. Man merkt, ein erster Schritt könnte sein, seine fünf Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten/Fühlen) bewusst einzusetzen, um in diese, andere, innere Welt zu gelangen.

 

Wenn man als Mensch im Körper ankommt, ist man bei sich selbst. Ohne Zweifel. Dies bedeutet primär Ankunft. Advent. Im eigenen Körper sein und sich dessen bewusst sein. Dann dürfen die allseits aktiven Gedanken auch einmal in den Hintergrund treten. Es darf langsam ruhig werden in mir. Spannungen dürfen sich lösen. Die Konzentration auf die fünf Sinnesempfindungen kann dabei helfen. Dabei Ankommen und durchatmen. Tief in den Bauch hinein atmen und langsam wieder ausatmen.

 

Ankommen, gedankenlos werden, Raum schaffen für sich selbst. Das ist Advent. Die Außenwelt einmal für ein paar Minuten außen vor lassen: Corona. Sorgen. Nöte. Ängste. Das ist Advent. Sich selbst wieder richtig spüren lernen. Das ist Advent. Sich innerlich öffnen, dem was elementar ist im Leben. Das ist Advent. Wo komme ich her, wer bin ich und wo gehe ich einmal hin? Wem oder wessen bin ich zugehörig? Sich diesen Fragen zu nähern. Das ist Advent. Offen zu werden für eine Welt, die sich weder mit den fünf Sinnen noch mit dem Verstand vollständig erfahren lässt. Das ist Advent. Das Göttliche, Kosmische oder Universale spüren. Das ist Advent. Die Ankunft dessen in sich erwarten. Auch das ist Advent. Die Verbundenheit und Zugehörigkeit erspüren. Und auch dies ist Advent.

 

Advent kann eine gute Zeit sein. Vielleicht verliert in ihr so manche dunkle Nacht ihren Schrecken. Möglicherweise ändert sich das ein- oder andere Traumgeschehen, so dass Nächte wunderweiß zu werden scheinen. Dann könnten Dinge plötzlich silbern werden und etwas Neues würde geboren. Vielleicht sogar mitten in uns selbst. Solches neues Leben kann einem so wertvoll sein, als wäre es mit Diamantenstaub bestreut. Wer da nicht ins glauben kommt, dem bleibt das leise Wunder verborgen, das inmitten seiner selbst und wie von selbst geschehen mag: mitten im Advent, inmitten wunderweißer Nächte:

 

„Es gibt so wunderweiße Nächte,

 

Drin alle Dinge Silber sind.

 

Da schimmert mancher Stern so lind,

 

Als ob er fromme Hirten brächte

 

Zu einem  neuem Jesuskind.

 

 

Weit wie mit dichtem Diamantenstaube

 

Bestreut,  erscheinen Flur und Flut,

 

Und in die Herzen,  traumgemut,

 

Steigt ein kapellenloser Glaube,

 

Der leise seine Wunder tut.“

 

 

(Rainer Maria Rilke, 1896)

  

Kommen Sie gut durch diesen Advent. Erleben Sie ihn als bereichernde Zeit. Mit oder ohne das Drumherum. Durch ein Hineingehen in sich selbst und ein Öffnen hin zum Ganzen. Dies wünschen ihn von Herzen, das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie.